Historischer Bericht
Im Zuge der "Endlösung der Judenfrage" wurde unter Eichmanns Leitung im Frühjahr 1944 in Ungarn eine Großaktion durchgeführt, bei der 700.000 Juden zusammengetrieben und nach Auschwitz verschleppt worden waren. Dort erfolgte die über mehrere Wochen dauernde Selektion unter dem berüchtigten Lagerarzt Dr. Mengele. "Am Ende dieser quälenden Wartezeit mussten sich die Frauen und Mädchen nackt in Fünferreihen aufstellen und wie Sklaven auf ihre "Gebrauchsfähigkeit" untersuchen lassen. Dann wurden die Transporte ins Reich zusammengestellt, wo die Häftlinge in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden sollten.", schreibt Josef Seubert in seiner bei "Edition Isle, Eggingen" 1989 veröffentlichten Dokumentation "Von Auschwitz nach Calw - jüdische Frauen im Dienst der totalen Kriegsführung". So gelangte auch dieser Häftlingstransport nach Rochlitz.Vom 14. September bis März 1945 bestand in Rochlitz ein Außenlager des KZ Flossenbürg. Es galt als Arbeitslager, in dem nach und nach 602 ungarische Jüdinnen und eine kriegsgefangene russische Ärztin untergebracht waren. Sie mussten hier im Rüstungsbetrieb Mechanik GmbH Rochlitz arbeiten, einem Tochterbetrieb der Leipziger Pittlerwerke, der seinen Produktionsauflagen durch das Reichsluftfahrtministerium erhielt.
Augenzeugenberichten ehemaliger Rochlitzer Bürger zufolge soll eine Unterkunft erdbunkerartig neben dem Umschulwerk Döhlen an der Waldheimer Straße bestanden haben. Ein anderer Teil war auf der Reitbahn, heute Stern-Gewerbepark, in einfachen Holzbaracken untergebracht. Ein junger Rochlitzer Postangestellter, der zufällig am Bahnhof die Bahnpost abholte, schilderte seine Eindrücke: "Als die Türen der Waggons aufgezogen wurden, sah ich dürftig bekleidete Frauen herausklettem, sie waren abgemagert und zum Teil barfüssig. Es war herbstlich kalt. Die Frauen mussten sich unter Aufsicht bewaffneter, uniformierter junger deutscher Frauen zu einer Kolonne formieren. So marschierten sie in Richtung Stadt. Von diesem Anblick war ich arg berührt."
Das Lager war eines von ca. 90 Außenlagem des KZ Flossenbürg. Weitere befanden sich in Flöha, Freiberg, Hainichen, Mittweida, Wolkenburg, Zschopau, Zwickau, Hohenstein-Ernstthal usw.
Am 15. Januar 1945 wurden 199 dieser jüdischen Frauen bei eisiger Kälte in ungeheizten Güterwaggons der Deutschen Reichsbahn nach Calw in Württemberg in das dortige Arbeitslager des LUFAG - Werks „überstellt". Sie waren im Alter von 12 bis ca. 50 Jahren. Dort waren sie für die Produktion von Flugzeugteilen eingesetzt, bis sie im März 1945 durch den Einmarsch amerikanischer Truppen befreit wurden. Ein dort leitender Ingenieur beschrieb die Ankunft der Häftlinge aus Rochlitz:
"Bei tiefer Kälte kamen die Frauen mittleren Alters und jüngere und ganz junge (ab 12 Jahre) in einer ganz fürchterlichen, elendsvollen Verfassung an. Sie waren ohne Ausnahme stark unterernährt, etwa 20 wegen ihres Schwächezustands zunächst nicht arbeitsfähig, schlecht oder kaum gekleidet, meist ohne Schuhzeug -und keine hatte persönliches Eigentum, nicht einmal ein bischen Seife, einen Kamm oder dergleichen, also bar jeder Habe. Anstelle der zusammengewürfelten Kleidung, die sie aus Auschwitz und Rochlitz mitbrachten, erhielten sie in Calw grau-blau gestreifte KZ-Drilliche und Holzpantinen. Es mangelte an Strümpfen und Unterwäsche."
(Quelle: Unterlagen des Rochlitzer Geschichtsvereins)