Statement von Rochlitz
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Statement von Rochlitz (15.04.2015)

Mit dem heutigen MdL stellen wir uns dem Unrecht, das zur Zeit des Nationalsozialismus durch unsere Vorfahren hier in Rochlitz geschehen ist. Als Nachkommen der Generation der Täter und Mitläufer sind wir betroffen von der unermesslichen Schuld an Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen und über 600 jüdischen Frauen in unserer Stadt. Ja, wir sind persönlich betroffen, denn 70 Jahre Schweigen sind auf unseren Schultern die Last,  selbst nicht genug für Versöhnung getan zu haben.
„Alle dunklen Familiengeheimnisse, die nicht an`s Licht kommen, behalten ihre Macht.“Dieses Wort von Peter Strauch gilt auch für unsere Familien, Dörfer, Städte und Kirchgemeinden.

Deshalb müssen wir mit dem heutigen MdL  bekennen, dass  auch wir, ob Rochlitzer oder nicht, ob aufgearbeitet oder noch unbewusst, aus schuldbeladenen Familien kommen, aus Familien, die das Unrecht nicht verhindert, die zu Unrecht beigetragen oder Unrecht vergrößert haben.
Wir bekennen auch die „zweite Schuld“, wie Joachim Gauck sie nennt: Wir haben die Aufarbeitung der  Schuld unserer Vorfahren zu wenig an uns herangelassen. Diese Aufarbeitung haben wir  oft den gesellschaftlichen Autoritäten überlassen, die sich  zu DDR-Zeiten einseitig den „Guten“ zurechneten.  Nur  zu gern haben wir damit unseren eigenen, persönlichen Anteil  an Verantwortung  als erledigt abgetan.    

Dass nach 70 Jahren die dunkle Geschichte der Stadt Rochlitz erhellt wird, dass  einzelne Mahner, langjährige Beter, Menschen vom Geschichtsverein, junge Leute von den „Zeitenspringern“,  die Oberbürgermeisterin der Stadt und wir als Teilnehmer dieses  Marsches  zusammenwirken, um die Aufarbeitung voranzutreiben, sehen wir als hoffnungsvollen Beginn, die Beziehungen zwischen den Opfern bzw. ihren Nachkommen und uns wiederherzustellen und von eigener Scham und Lähmung frei zu werden.

So wollen wir mit dem heutigen MdL den Überlebenden sowie ihren Nachkommen die Würde zurückgeben, die ihnen gebührt. Wir bitten sie, unseren  Vorfahren zu vergeben und heißen sie bei uns willkommen.

Mit dem MdL sprechen wir öffentlich aus, dass über Rochlitz und seinen Bewohnern Leben statt Tod, Wahrheit statt Verschweigen, Heilung statt Krankheit, Entwicklung statt Resignation herrschen sollen und alle unsere jüdischen und ausländischen Mitbewohner und Gäste darin eingeschlossen sind.
Dies zu erreichen, können wir viel tun! Die Anfänge von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Gewalt keimen im Kleinen und in Worten: im ausgrenzenden Vorurteil, im herabwürdigenden Witz, in geschichtlichen Halbwahrheiten in Schulbüchern, in einseitig verurteilenden Schlagzeilen in der Presse usw. Die Anfänge keimen dort, wo  wir höher zu stehen kommen, indem Andersartige verbal entwertet werden.

Deshalb: Treten wir mit unseren Worten für die ein, die sich nicht wehren können!  Bestärken wir uns gegenseitig darin, den Anfängen zu wehren!

Wir wollen nie mehr schweigen.

Der offizielle Gedenktag für 6 Mio. ermordete Juden – für uns Deutsche am 27. Januar-  ist in Israel immer der 26. Nissan des jüdischen Kalenders und fällt dieses Jahr auf den heutigen Tag. Um 10 Uhr israelischer Zeit – bei uns 9 Uhr- steht im ganzen Land für 3 Gedenkminuten das gesamte öffentliche Leben still, alle Verkehrsmittel halten an.

So soll uns der heutige Tag auch Anlass sein, unser Verhältnis zu Israel zu bedenken und seine Rolle  als einzige Demokratie im nahen Osten zu würdigen.“ Von den 300 Millionen Arabern im nahen Osten und Nordafrika sind weniger als ein halbes Prozent wirklich frei, und diese sind alle Bürger des Staates Israel.“ (der israelische Botschafter am Sitz der UN, Ron Prosor, 24.11.14 in der jährlichen Debatte der UN-Generalversammlung zur Palästinafrage). Dennoch muss Israel noch heute um sein Existenzrecht kämpfen, weil es von Nachbarn umgeben ist, die es am liebsten von der Landkarte strichen.

Als Veranstalter dieses Marsches mahnen wir eine gerechte Beurteilung Israels und eine faire Berichterstattung in den Medien an. Wir bekennen die unglückselige Rolle, die unser Land zu DDR-Zeiten durch einseitige Verurteilung des Staates Israel gespielt hat und ermutigen alle hier Versammelten, jederzeit unerschrocken die Wahrheit auszusprechen.
Wir wollen nie mehr schweigen.